KASSANDRA Das Ende der Ereignisse
KASSANDRA  
Das Ende der Ereignisse
Regie: Rosa Rieck
Kassandra ist eine berühmte Frau, die etwas Besonderes kann.
Das nennt man eine Gabe.
Kassandras Gabe ist, dass sie in die Zukunft schauen kann.
Sie lebt schon sehr lange.
Also hat sie schon sehr oft in die Zukunft geschaut.
Aber sie hat ein Problem:
Wenn Kassandra von der Zukunft erzählt, glaubt ihr niemand.
Der Grund dafür ist:
Ein Gott hat sie verflucht.
Kassandra hat keine Lust mehr darauf, dass ihr niemand glaubt.
Sie ist erschöpft.
Darum will Kassandra sich verabschieden.
Sie sagt: Ich verabschiede mich. Und ich mache ein letztes Konzert.
Ein Abschiedskonzert.
Zu dem Konzert lädt sie alle ein: auch uns – die Zuschauer.
Aber dann passiert doch etwas anderes.
Kassandra beginnt zu erzählen.
Sie erzählt, dass sie sich wundert.
Sie wundert sich darüber, dass Dinge immer wieder passieren.
Zum Beispiel Krieg.
Mit dem Musiker von dem Konzert redet sie über das Thema Krieg.
Sie reden auch über die Liebe und die Wahrheit.
Sie fragt sich:
Gibt es noch Hoffnung für diese Welt?
Soll ich endlich gehen oder soll ich bleiben?
Einige von Euch kennen vielleicht den Kassandra Mythos.
Für alle anderen erzähle ich ihn in aller Kürze:
Kassandra, also ich, bekam von einem Gott, egal welchem, die Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen, da sie, also ich, allerdings nicht mit ihm ins Bett wollte, spuckte er ihr, also mir, in den Mund und bestrafte mich damit, dass mir niemand glauben wird.
Seitdem ist viel passiert. Nach Jahrhunderten durchzechter Nächte als ewig Sehende all der vorausliegenden Stellvertreterkriege, Tsunamiwellen und Reaktorunfälle – dabei aber nie Gehörte – setzt Kassandra einen Schlussstrich und verabschiedet sich aus der Öffentlichkeit. Bevor sie ihre Karriere als Mythos an den Nagel hängt, lädt sie noch einmal ein: zur kleinen Verabschiedung im großen Kreis, zum Abschiedskonzert. Auf Nimmerwiedersehen ihr ungläubigen Gesichter, die ihr nicht glauben wollt, dank Apolls Fluch, nicht glauben könnt. Adé Publikum. Das war’s. No more Kassandra.
Doch einige Details gilt es noch zu klären: Welches Lied spielen wir zuerst? Das vom grassierenden Faschismus oder das von der Kriegstüchtigkeit? Warum eigentlich immer wieder Krieg, wo doch der letzte und der davor und der davor schon unfassbar waren? Lohnt es sich noch, Warnungen von den Dächern zu schreien oder Parolen an die Wände zu schmieren? Oder hat es sich nie gelohnt? Ist Ungewissheit Glückseligkeit? Wer will schon das eigene Sterbedatum hören? Will man überhaupt wissen, wann das hier alles endet? Und wie? Wenn alles immer wiederkehrt, können wir das Übliche dann einfach überspringen und gleich vorspulen bis zum Schluss?
Die 1997 in Zürich geborene Autorin Paula Kläy schreibt für das RambaZamba einen Text über Kassandra als zeitlosen Mythos in katastrophalen Zeiten. Zuletzt arbeiteten Kläy und Rieck mit Gigantische Einsamkeit (2025) zusammen an den Münchner Kammerspielen. Schauspielerin und Sängerin Hieu Pham und Musiker, Komponist und Schauspieler Leo Solter treten als Mitglieder der RambaZamba-Hausband 21 downbeat regelmäßig zusammen auf. Für KASSANDRA gestalten sie ein musikalisches Happening zwischen allen Genres.
Bitte beachten Sie, dass in der Inszenierung Stroboskoplicht zum Einsatz kommt.
Dauer ca. 1 Stunde 20 Minuten